Hams glesn? 005 Hagel

 3. Juli 1947 stand in der Zeitung Mühlviertler

Bauern weinten wie kleine Kinder

Hagelschlossen in Hühnereigröße vernichteten in Gramastetten und Eidenberg 180 ha Feldfrüchte

Der trockene Boden des Mühlviertel lechzt nach Regen. Froh blicken die Bauern auf, als Donnerstag vergangener Woche gegen 16:00 Uhr schwere Wolken den Himmel verdunkelten. Man beeilte sich, noch schnell vor dem erlösenden Regen das Heu einzubringen. Plötzlich erhob sich ein heftiger Sturm, die ersten Tropfen fielen und das Gewitter entlud sich mit voller Wucht über Eidenberg und Gramastetten. Der erwartete feuchte Segen verwandelte sich aber in Verheerung. Hühnereigroße Eisschlossen hagelten auf die Flur. Die auf den Feldern weilenden Bauern flüchteten entsetzt mit ihren Gespannen in die nahen Wälder, hielten es aber auch hier nicht aus, da die Äste von den Eisschlossen abgeschlagen wurden. Man muss es geradezu als ein Wunder bezeichnen dass das Unwetter keine Menschenleben forderte. Gott sei Dank befanden sich keine Kinder auf freier Straße. Desto ärmer waren die Tiere dran. Die Rehe liefen blutüberströmt den Häusern zu. Der Wildschaden lässt sich erst nach erfolgtem Getreideschnitt ermessen.

Als sich das Gewitter entladen hatte, lag Dezimeter hoch auf den Feldern das Eis. Dem Auge bot sich ein Bild grenzenloser Verwüstung. In einer Breite von 3 km und einer Länge von 12 km hatte der Strichhagel innerhalb weniger Minuten 180 ha Bodenfrüchte vernichtet. Entlaubt reckten die Obstbäume bei den Gehöften ihre kahlen Äste zum Himmel. Das bischen Obst, das heuer zu erwarten war, lag unter den Schlossen begraben. Alte Bauern, gehärtet vom Schicksal eines arbeitsreichen Lebens, weinten wie die Kinder. Die Hiobsbotschaft der Unwetterkatastrophe verbreitete sich so schnell, wie das Unwetter seinen Weg nahm.

Freitag morgens traf eine Kommission der Zivilverwaltung Mühlviertel ein. (Gramastetten lag noch in dem von den Russen besetzten Gebiet) In Vertretung des Staatsbeauftragten Blöchl wohnte Sicherheitsdirektor Sebinger der Begehung des Schadensgebietes bei. Noch knirschten die Eiskörner unter den Sohlen. Der Obmann der Bezirksbauernkammer Neubauer, Landesrat Franz Hartl aus Gramastetten und zwei Sachverständige der Bauernkammer schätzten den Schaden ab. Gramastetten und Eidenberg wurden als Zuschussgebiete erklärt. Die Betroffenen werden ihr Brotgetreide aus dem Lieferkontingent der Gemeinde erhalten. Für den entstandenen Feldschaden wird die Bezirksbauernkammer aufkommen. Besonders schwer spielte der Strichhagel den Besitzern Oberhamberger, Dirs, Durstberger und Brotweger in Hamberg mit. Hier wurde alles 100-prozentig vernichtet. Am traurigsten ist der Fall der Oberstetterbäurin in Türkstetten. Erst vor wenigen Monaten verstarb ihr Mann und hinterließ sieben Kinder. Der Pfarrer von Gramastetten, Pater Just, erklärte sich sofort bereit, für die Wiederherstellung der Felder aufzukommen. Die Fierederbäurin, deren Sohn in Russland vermisst ist, ist nicht viel besser dran. Sie ist 74 Jahre alt. Um ihr 70 Joch großes Anwesen zu bestellen, steht ihr lediglich eine Magd zur Seite.

Alle Betroffenen waren während der letzten sieben Jahre gegen Hagelschlag versichert. Nie hagelte es in dieser Gegend. Um Geld zu sparen, wurde heuer zum ersten Mal die Versicherungsprämie nicht mehr bezahlt, sodass keine Verpflichtung zum Schadenersatz von seiten der Versicherungsgesellschaft besteht.

40 kleine Leute des Marktes, die ihre Losäcker nach alter Gepflogenheit bei den größeren Bauern haben, und für die hier gezogenen Kartoffeln bei der Ernte Druschhilfe leisten, sind um ihr wichtigstes Nahrungsmittel gekommen. Aber nicht nur die Feldfrüchte wurden vernichtet, auch manches neugedeckte Dach musste daran glauben. Während der obere Teil des Marktes Gramastetten ohne Schaden davonkam, weisen die Dächer und Fenster im östlichen Teil durchwegs Beschädigungen auf. Materialzuweisungen müssen bewilligt werden.

Die Mutlosigkeit der Bauern hat sich in den letzten Tagen gelegt, die Gemeinde ist zur Selbsthilfe geschritten. Nachbarn, die vom Hagelschaden verschont blieben, unterbrechen ihre Heuernte und gehen den Betroffenen tatkräftig zur Hand. Es gilt zu retten, was noch zu retten ist. Während der Roggen, drei und vierfach geknickt, am Boden liegt, blieb seltsamerweise der Weizen stehen. Aber auch hier sind die Ähren vollkommen ausgedroschen. Ebenso muss auch die Gerste geschnitten werden, will man die letzten Körner retten. Das Getreide ist durchwegs minderwertig geworden und kann nach Trocknung nur noch für Futterzwecke verwendet werden. Genauso sieht es mit dem Hafer aus. Die Bauernkammer kommt für neues Saatgut auf. Zu einem Neuanbau des Getreides reicht aber heuer die Zeit nicht mehr. Es können höchstens noch Wicken, Mais oder Erbsen angebaut werden. Ebenso ist es für den Kartoffelanbau zu spät, abgesehen davon, dass Saatkartoffel nirgends mehr zu haben sind. Daher sollen nach erfolgter Umackerung der Felder Kraut und Burgunderrüben gepflanzt werden. Die Gemeinde hat bereits die notwendigen Pflanzen im Leonfeldner Bezirk besorgt.

An eine derartige Hagelkatastrophe ähnlichen Ausmaßes können sich selbst die ältesten Bewohner Gramastettens nicht erinnern.

Links zum Hagel 2021:

Als ich diesen Artikel las, dachte ich an ein Gespräch mit Dumfart Alois vom oberen Markt, das ich kurz nach dem Hagel im Juni 2021 führte. Alois erinnerte sich an ein Gespräch mit seinem Vater, der von einem Hagel, Ende der 1940er-Jahre berichtete, wo die Hagelkörner zwar kleiner waren, aber einige Fenster und Dächer beschädigten. Das stimmt genau mit dem Zeitungsartikel überein, der nur von leichten Schäden im oberen Markt berichtet, weil der starke Hagel einige 100 Meter weiter weg niedergegangen ist.

Nächste Woche berichte ich über die Schlagzeile „Nicht nur Krapferl aus Gramastetten – Die Gemeinde hat sich bereits dafür entschieden“ über ein Thema, das die Gramastettner 1971 in zwei Lager spaltete.

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